Hauen, beißen kratzen -10 Gründe für Aggressionen bei Kindern

Fast alle Eltern von Kleinkindern kennen es. Das eigene Kind fängt irgendwann „aus dem nichts“ an mit hauen, beißen, kratzen und treten. Manch eine Mama bekommt dann Schläge und Tritte ab oder ein anderes Kind auf dem Spielplatz wird in die Mangel genommen.

In diesem Blogbeitrag möchte ich näher auf die möglichen Ursachen von Aggressionen bei Kindern eingehen, denn es gibt immer Gründe dafür, die es nicht zu ignorieren gilt. Ich möchte dich dazu ermutigen, hinter das Verhalten deines Kindes zu schauen und nicht nur auf die Symptome. Es gilt nicht am Kind herumzudoktern, sondern die Ursachen ausfindig zu machen, das Verhalten zu verstehen, damit dem Kind geholfen werden kann.

10 Gründe für Aggressionen bei Kindern

Aggressives Verhalten wird nicht gerne gesehen. Doch gibt es Aufschluss darüber, dass etwas in Schieflage geraten ist. Es ist ein Notsignal und Hilferuf an die Umwelt. Ein genauer Blick darauf lohnt, um herauszufinden, was genau dahintersteckt, welches Bedürfnis gerade nicht gesehen wird – im Mangel ist. Wir können es also als eine Chance sehen, etwas wieder ins Gleichgewicht zu bringen, um unserem Kind damit zu helfen!

10 Gründe für Aggressionen

 

Was ist Aggression?

Ausgelöst wird eine aggressive Reaktion, wie Wut in unserem Gehirn und zwar als eine Antwort auf etwas, was in den Beziehungen um uns herum passiert oder auch nicht passiert. Auslöser kann etwas sein, was wir sehen oder hören, etwas physisches, etwas, was aus unserer Phantasie heraus entsteht oder auch von unseren eigen erlebten emotionalen Erfahrungen heraus bestimmt wird, wenn wir verletzt wurden, ob nun physisch oder psychisch.

“Wut ist das Resultat von Persönlichkeiten, Erfahrungen und Erwartungen, die sich kreuzen.” Jesper Juul



Wie macht sich aggressives Verhalten bemerkbar?

Aggressives Verhalten offenbart sich nicht ausschließlich in körperlichen Angriffen, sondern auch in verbaler Gewalt, wie Mobbing oder auch in Diebstählen. Aggressionen richten sich bei den Jungen eher nach Außen und in körperlicher Form. Bei Mädchen richten sich Aggressionen eher gegen sich selbst oder wenn nach Außen, dann eher in Form von Mobbing, also durch Ausgrenzen, Blamieren, Beleidigen und Schikanieren des Anderen.

 

Was können Gründe für aggressives Verhalten sein?

1. Hauen als Kontaktaufnahme

Weil Kinder sich einfach verbal noch nicht ausdrücken können und ihnen Mitteilungsstrategien fehlen. Was kannst du als Mama oder Papa tun, um deinem Kind zu helfen? Du kannst deinem Kind helfen, indem du versuchst sein Vorhaben in Worte zu fassen: „Du wolltest mit dem Kind spielen? Dann versuch es das nächste Mal so oder so…!“.

2. Fehlende Impulskontrolle und Perspektivenübernahme

Die Entwicklung der Impulskontrolle (Kontrolle von Emotionen und Affekten) beginnt im Alter von 3 Jahren und dauert einige Jahre an. Erst im Alter zwischen 7 und 9 Jahren ist es für Kinder möglich, ihre Impulse zu kontrollieren, aber völlig ausgereift ist diese Kontrolle erst mit etwa 25 Jahren. „Das Erleben von intensivem Ärger und Wut und eine mangelnde Fähigkeit, diese zu regulieren, stellen bekannte Risikofaktoren für aggressive Handlungen dar.“ (1). Wie du dein Kind gut durch seine Wutanfälle begleiten kannst, habe ich im Blogbeitrag „Die Wutanfälle in der Trotzphase verstehen und begleiten“ beschrieben.

Die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme beginnt in einem Alter von ca. 3 Jahren und dauert viele Jahre an. Selbst Kinder im Alter von 12 Jahren sind noch dabei, ihre Fähigkeiten diesbezüglich auszureifen. Erst wenn wir zur Übernahme fremder Perspektiven fähig sind, beeinflusst dies unsere sozialen Interaktionen und Kommunikationen. Dann können wir empathisch mit anderen sein, und die Bedürfnisse und Wünsche von anderen wahrnehmen und auch erkennen.

Gründe für Aggressionen

3. Physische Gewalt und Psychische Gewalt (Mobbing)

Durch selbst erfahrene oder gesehene Gewalt in der Familie oder im weiteren Umfeld, wie Schule oder Kita, kann es auch zu Aggression beim Kind kommen. “Wird ein Kind von einem älteren Kind attackiert, gegen das es sich nicht wehren kann, richtet sich seine Aggression nicht gegen den Aggressor, sondern eventuell gegen ein kleineres Kind – das kann an einem anderen Ort und zu einem anderen Zeitpunkt geschehen. So entsteht schnell der Eindruck, das schlagende Kind sei «aus dem Blauen heraus» aggressiv.” (2)

Der Familientherapeut Jesper Juul schreibt in seinem Buch “Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist”* folgendes: “In einer Familie, in der es öfter zu Wutausbrüchen und Gewalt kommt, wird ein Kind (meist sind es die Jungen) die einfache Kopie “Eins zu eins” repräsentieren und ein destruktives, aggressives Verhalten annehmen.”

Durch Zurückweisung, Ausgrenzung, Verachtung oder Ungerechtigkeit reagieren auch die Schmerzzentren des Gehirns, also nicht nur auf physische Gewalt, sondern auch auf psychische Gewalt können wir mit aggressiven Verhalten reagieren. (3)

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4. Konflikte in der Elternbeziehung

Wenn Paare sich öfter streiten und Kinder das unmittelbar mitbekommen kann das auch zu aggressiven Verhalten führen. Grund dafür ist die angespannte Situation im Elternhaus und ein anderes Erziehungsverhalten der Eltern, durch den erlebten Stress während der Konflikte mit dem Partner. Nicht alle Beziehungskonflikte führen beim Kind zu aggressiven Verhalten, festgestellt wurde allerdings, dass Kinder in Familienkrisen öfter dazu neigen.(4)

Aggressionen Gründe

 

5. Traumatische Erfahrungen

Missbrauch, Unfälle, Naturkatastrophen und der Verlust oder auch die Trennung der Eltern können ebenfalls zu aggressiven Verhalten führen.

Das aggressive Verhalten bei Trennung der Eltern ist vor und während der Trennung am höchsten und flacht nach der Trennung wieder ab. Begründet wird dies mit einer erhöhten depressiven Stimmung der Mütter, unberechtigten Schuldgefühle an der Trennung und die weniger gute Beaufsichtigung, durch das Fehlen eines Elternteils. (5)

6. Hilflosigkeit und Überforderung

Beispielsweise durch die Entthronung eines Geschwisterchen. Dein Kind hat Angst, dass du es nicht mehr so liebst, wie vor der Geburt des Geschwisterchens. Aus dieser Unsicherheit heraus könnte sich ein „schwieriges“ oder als schwierig empfundenes Temperament entwickeln, was zu impulsivem, hyperaktiven und trotzigem Verhalten führen kann. Wenn Eltern sich davon nun gestresst und überfordert fühlen, reagieren sie vielleicht mit harten Disziplinierungsmaßnahmen, die dann zu aggressiven Verhalten beim Kind führen können. (6)Was kannst du tun? Gib ihm, wenn möglich, viel positive Rückmeldung und Extra – Kuscheleinheiten. Mehr zur Thematik kannst du im Blogbeitrag „Familienzuwachs – die Entthronung des Erstgeborenen“ nachlesen.



7. Erniedrigendes Verhalten und Bestrafungen

Kinder zeigen aggressives Verhalten, wenn sie unglücklich sind, sich nicht gesehen, angenommen und gewertschätzt fühlen, wenn wir z. B. oft mit ihnen schimpfen oder sie kränken. Und auch Erwachsene neigen zu aggressiven Verhalten, wenn sie nicht imstande sind, ihre (negativen) Gefühle in Worte zu fassen, weil sie es in ihrer eigenen Kindheit nicht durften. Durch Bestrafungen, Liebesentzug, Isolation (Stille Ecke oder Stiller Stuhl) oder emotionale Erpressung kann sich Wut im Körper anstauen, weil das Kind sich in diesen Momenten, als ohnmächtig und klein wahrnimmt. Diese angestaute Wut findet plötzlich ihren destruktiven Ausbruch. Versuche einen Weg ohne Strafen zu finden. Du kannst deine Gefühle deinem Kind stattdessen authentisch (ohne schreien) vermitteln, wenn dir etwas nicht gefällt „Ich finde es nicht toll, dass du das Glas Wasser ausgeschüttet hast. Komm lass uns einen Lappen holen!“.

8. Abgrenzungsversuche

Die körperliche Grenze wurde missachtet, jemand kommt ihm zu nahe, es möchte sich schützen und haut zu.
Gib deinem Kind eine Handlungsalternative an die Hand „Das Kind kam dir gerade zu nah, oder? Sage beim nächsten Mal mit vorgestreckter Hand 🖐️“ Stop“, ich unterstütze dich dabei auch gern! „.

Aggressionen 12 Gründe

9. Vermindertes Selbstwertgefühl

Dann kann aggressives Verhalten durch Angst und (soziale) Unsicherheit zum Ausdruck kommen. Dein Kind fühlt sich schneller bedroht und angegriffen, als andere Kinder und reagiert übersensibel auf vermeintliche Bedrohungen. Du kannst dein Kind und sein Selbstwertgefühl stärken, indem du ihm zeigst, dass es in Ordnung ist, wie es ist und ihm auf Augenhöhe begegnest. Es bestärkst in seinem Tun und Sein. Das ist Balsam für seine kleine Seele und sein Selbstwertgefühl. Es braucht dich als Halt und Orientierungshilfe.

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10. Trennungstrauma

Bei Kindern mit Trennungstrauma können unter anderem problematische Verhaltensweisen, wie Aggressionen auftreten. Damit hat sich die Entwicklungspsychologin Aletha Solter befasst. Sie meint auch, dass es wichtig sei, bei solchen Fällen jegliche Strafen von räumlicher Trennung (Stille Ecke, Zimmerarrest) zu vermeiden. Denn davor fürchtet es sich am Meisten. (7)

 

Risiko- und Schutzfaktoren bei aggressiven Verhalten (8)

Aggressives Verhalten kann noch mehr Gründe haben. Hier siehst du eine Auflistung, unterteilt in Risiko- und Schutzfaktoren im Bereich Individuum, Familie, soziale Umwelt und Gesellschaft.

Individuum

  • genetische und neurophysiologische Faktoren
  • prä- und perinatale Risikofaktoren
  • schwieriges Temperament
  • männliches Geschlecht
  • belastende Lebensereignisse
  • Zeuge von Gewalterfahrungen
  • Drogenmissbrauch

Dahingegen gelten als Schutzfaktoren beim Individuum

  • Autonomie
  • soziale Kompetenz
  • Problemlösungsfertigkeiten
  • Reflexivität/Impulskontrolle
  • Anpassungsfähigkeit

 

Familiäre Risikofaktoren

  • Disharmonie in der Partnerschaft/Trennung/Scheidung
  • Vernachlässigung/Misshandlung
  • dysfunktionale Erziehung
  • mangelnde Problemlösungsfertigkeiten
  • psychische Störungen, speziell Alkohol- und Drogenmissbrauch
  • Kriminalität einschließlich der Duldung von Delinquenz
  • ökonomische Belastungen

Da familiäre Risikofaktoren miteinander im Zusammenhang stehen und sich wechselseitig beeinflussen, kann es passieren, dass Kinder in der Regel gleich mehreren Risikofaktoren ausgesetzt sind. Daher können einzelne Risikofaktoren weitere nach sich ziehen und sich so über den Entwicklungsverlauf verstärken. (9) Desweiteren kann sich das aggressive Verhalten des Kindes chronifizieren, wenn es oft nur Aufmerksamkeit erhält, sobald es auffällig wird und ihm sonst nur wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Ganz nach dem Motto „Lieber negative Aufmerksamkeit, als keine!“.

Dahingegen gelten als familiäre Schutzfaktoren 

  • Fürsorge und Unterstützung
  • stabile Partnerschaft
  • emotionale Zuwendung
  • Belastbarkeit und positive Kommunikation

 

Risikofaktoren soziale Umwelt

  • Wohndichte und Wohnqualität
  • Mangel an sozialen Diensten
  • soziale Desintegration
  • niedriges Bildungsangebot
  • dissoziale Freunde/Jugendbanden
  • hohe Kriminalitätsbelastung
  • Verfügbarkeit von Drogen

Als Schutzfaktoren soziale Umwelt gelten

  • Versorgung und Unterstützung
  • dichtes Netz sozialer Dienste und Angebote
  • soziale Integration/Bürgerbeteiligung
  • hohe Erwartungen
  • niedrige Kriminalitätsbelastung

 

Risikofaktoren Gesellschaft

  • ökonomische Strukturveränderungen
  • Arbeitslosigkeit
  • Armut
  • reduzierte Sozialhaushalte
  • Ghettoisierung
  • unkritische Gewaltdarstellung in den Medien
  • kulturelle Begünstigung von Gewalt

Schutzfaktoren der Gesellschaft sind

  • Versorgung und Unterstützung
  • ökonomische Sicherheit
  • soziale Integration/Bürgerbeteiligung
  • wirksame Sozialpolitik

 

Was können Eltern tun, wenn sie selbst auch aggressiv werden?

Die Wut und Aggression des Kindes ist für manche Eltern schwer auszuhalten, vor allem dann, wenn sie in der eigenen Kindheit eben nicht wütend sein durften und dieses Gefühl unterdrücken mussten, ignoriert oder dafür sogar bestraft wurden. Diese angestaute Wut überkommt dann den Einen oder Anderen in den Wutanfällen des eigenen Kindes oder die Blicke und Anmerkungen Dritter verunsichern noch zusätzlich. Kleine Achtsamkeitsübungen können dann helfen, nicht selber aggressiv zu werden.

Dir als Mama oder Papa hilft eventuell:

  • das tiefe Atmen,
  • das langsame Rückwärtszählen von 10 – 0
  • ein Glas Wasser trinken
  • Arme und Beine ausschütteln
  • laut singen und tanzen oder
  • anfangen rumzualbern und die „negative“ Situation ins Spaßige zu ziehen.

Wir bleiben mit diesen Maßnahmen also am „Rand“ unseres Gefühls stehen, tauchen aber nicht hinein, sondern lassen es weiterziehen oder abflachen. Was ich ganz wichtig finde ist, sich selber zu verzeihen, wenn man doch mal lauter geworden ist. Wir sind alle nur Menschen, sich dafür nun hart in die Mangel zu nehmen, wäre falsch und würde nur zu Schuldgefühlen und noch mehr Frustration führen, welche sich dann wiederum wieder auf unser Gemüt schlägt. Ich für meinen Teil entschuldige mich aufrichtig bei meinem Kind, wenn ich mich „neben der Spur“ verhalten habe. Dann lernen unsere Kinder auch, dass Mama und Papa nicht perfekt sind und ihre Fehler eingestehen und sie spüren, dass nicht sie die Schuldigen sind. Denn sie sind nicht für unsere Gefühle zuständig oder verantwortlich.

Was aber wenn diese „seichten“ Handlungsalternativen nichts bringen?

Dann dürfen wir versuchen unsere Reaktionsmuster zu verstehen. Wenn wir wissen, was genau in unserem Körper passiert, wenn wir verärgert und wütend sind, haben wir eine Chance etwas dagegen zu tun. Denn das aggressive Verhalten unseres Kindes löst in uns alte, selbst erfahrene Muster aus. Unser Kind brüllt und schlägt um sich: diese Situation können wir selbst als Gefahr einstufen (oder auch nicht), eben aus den eigenen Erfahrungen aus unserer Kindheit heraus.

Zur Thematik hat Nicola Schmidt ausführlich in ihrem Erziehungsratgeber „Erziehen ohne Schimpfen“* berichtet. Sie schreibt, dass in Stresssituationen und als Gefahr wahrgenommenen Situationen unser Mandelkern im Gehirn, auch Amygdala genannt, innerhalb von Bruchteilen von Sekunden losfeuert. Dieser Mandelkern arbeitet dann nach und nach eine Folge von sinnvollen Aufgaben ab. Er aktiviert unser Stress- und Notfallsystem (sympathisches Nervensystem), er beschleunigt unseren Herzschlag, um genug Sauerstoff für die Muskeln zum Angriff oder zur Flucht freizuschaufeln. Weiterhin bewirkt der Mandelkern noch, dass unsere Atmung flacher wird, unsere Empathiefähigkeit reduziert wird und er ist auch für die Drosselung von Glückshormonen zuständig, denn wir sollen jetzt kampfbereit sein. Und so schnell, wie der Mandelkern losfeuert, so schnell hört er damit auch wieder auf. In ihrem Buch schreibt die Autorin von 10 Sekunden, die wir somit überbrücken müssten, um nicht aus der Haut zu fahren. Nach ganzen 10 Minuten soll auch unser restlicher Körper wieder im Normalmodus sein. Die Funktionen des Stresssystems brauchten unsere Vorfahren damals zum Kämpfen, Fliehen oder auch Jagen. Sie sind also sinnvoll.

 

Von 10 Sekunden zu 90 Sekunden

Nicola Schmidt redet von 10 Sekunden, die wir überbrücken müssten. Die Neurowissenschaftlerin Dr. Jilll Bolte Taylor spricht von etwa 90 Sekunden, die es auszuhalten gilt.

„Dabei brauchen Emotionen laut der Neurowissenschaftlerin Dr. Jill Bolte Taylor weniger als 90 Sekunden, um die inneren Bahnen zu durchlaufen, wie sie es in diesem Interview unter Anderem beschreibt. Dieses Wissen gibt mir die Wahlfreiheit: Möchte ich mit dem Gefühl in Interaktion treten, die Energie ausleben oder möchte ich es beobachten und wieder gehen lassen? Jedes Gefühl möchte gelebt und erfahren werden. Damit meine ich, dass es Raum bekommt. Das heißt nicht, dass es in jedem Fall ausgelebt werden muss. Wenn ich mit Wut durchströmt bin, muss ich dieses Gefühl nicht durch das Zerschlagen von Porzellan ausleben. Die Wahrnehmung, dass mich gerade Wut durchflutet, reicht als Ausleben aus.“ (10)

Ob nun 10 oder 90 Sekunden, die Wahrheit wird wohl irgendwo dazwischen liegen. Wir haben die Wahl und tragen die Verantwortung für die Qualität in der Beziehung mit unseren Kindern, wie Familientherapeut Jesper Juul es einst sagte.

Wenn all das nicht hilft und ein Elternteil immer wieder in Rage gerät, wäre es sicher von Vorteil, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

 

Kindliche Aggressionen sind erst einmal als sinnvoll zu betrachten

Aggressionen sind ein wichtiger Bestandteil unserer Entwicklung. Das Problem ist, dass sie ein Tabuthema in unserer Gesellschaft sind. Sie sind nun aber da und haben ihren Sinn. Sie treiben uns voran und helfen uns, unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse durchzusetzen. Sie werden aus dem Lateinischen mit “sich zubewegen auf etwas/jemanden, heranschreiten, sich nähern oder angreifen” übersetzt. Aggressionen sind wie ein Motor, sie helfen uns, etwas zu bewegen, voranzutreiben und sind manchmal auch überlebensnotwendig, sie dienen dem Selbstschutz.



Daher sollten wir sie nicht von Grund auf verteufeln. Was auch immer aggressives Verhalten beim Kind auslöst, wir dürfen seine Gefühle spiegeln und ihm Alternativen aufzuzeigen. Alternativen könnten sein, dass du deinem Kind ein großes Kissen, das Sofa oder einen Boxsack zum Treten und Hauen anbietest, bevor du die Schläge und Tritte abbekommst.

Denn Eines ist ganz wichtig, wir sind für unsere Kinder in diesen gefühlsbetonten Momenten da, aber wir sind nicht ihr Boxsack. An dieser Stelle ist es wichtig, ganz authentisch zu vermitteln, dass wir das nicht möchten und wir im Notfall aus der Situation herausgehen und einen Schritt zurücktreten, bis unser Kind nicht mehr wild um sich schlägt. Wenn das Herausgehen aus der Situation nicht möglich ist, dann dürfen wir auch die Hände oder Beine des Kindes festhalten, damit wir nicht verletzt werden. Die Botschaft sollte immer sein „Ich verstehe, dass du sauer/wütend/enttäuscht bist und gleichzeitig möchte ich nicht, dass du mich schlägst, das tut mir weh!“.

Aggressives Verhalten ist immer ein Hilferuf deines Kindes. Mit ihm oder seiner Umgebung oder seinem Umfeld stimmt etwas nicht. Es liegt an uns, wach- und achtsam zu sein. Unser Kind zu fragen, ob es irgendetwas erlebt hat, was ihm seelischen oder körperlichen Schmerz bereitet hat, sowie unser eigenes Handeln immer wieder einmal zu reflektieren, was wir eventuell im Umgang mit unserem Kind besser machen könnten, denn dies kann die Situation wieder verbessern.

Zu guter Letzt möchte ich euch noch ein Zitat des verstorbenen Familientherapeuten Jesper Juul dalassen:

„Aggressivität ist eine Möglichkeit der Umwelt zu sagen: Mir geht’s nicht gut!“

Fallen euch noch mehr Gründe für aggressives Verhalten ein? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? In welchen Situationen hauen, treten und beißen eure Kinder und könnt ihr dabei selbst ruhig bleiben?

 

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Quellennachweise:

(1) + (5) + (6)+ (9) Buch „Aggression und Gewalt von Kindern und Jugendlichen“*von Petermann/Koglin

(2) + (3) https://www.fritzundfraenzi.ch/gesundheit/psychologie/mein-kind-ist-aggressiv-was-tun?page=all

(4) https://www.fritzundfraenzi.ch/erziehung/elternbildung/aggressive-kinder-grunde-und-tipps-fur-eltern?

(7) Buch “Schatz ich bin zu Hause” von Jenniffer Ehry-Gissel

(8) + (9) https://refubium.fu-berlin.de/bitstream/handle/fub188/1973/03_Kapitel3.pdf?sequence=4&isAllowed=y

(10) https://mut-zur-stille.de/90-sekunden-wut-vom-umgang-mit-emotionen/

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