Wechselmodell – Ein Erfahrungsbericht

Seit Oktober 2021 führen mein Exmann, unser gemeinsames Kind und ich das Wechselmodell durch. Wie lief es anfangs? Wie ist es jetzt nach 4 Monaten?

Welche Probleme bei uns auftauchten, ob das Wechselmodell gut für Kinder ist und ob ich es allen Familien empfehlen kann, die sich auch nach der Trennung die Sorge ums Kind teilen möchten, das erfährst du im heutigen Beitrag.

Wechselmodell – Ein Erfahrungsbericht

Verliebt, verlobt, verheiratet, getrennt, geschieden, Wechselmodell… Traurig, aber wahr: Meine Ehe ist nun schon seit fast einem halben Jahr passé.

Aber wenn man sich als Paar eh nicht mehr versteht, beide unglücklich sind und völlig unterschiedliche Dinge wollen, dann ist es mMn das Beste, sich gegenseitig die Möglichkeit zu geben, nochmal woanders sein Glück zu suchen und Frieden zu finden.

Wenn jedoch ein gemeinsames Kind von der Trennung betroffen ist, muss man – finde ich – auch mal zurückstecken, sich dazu bereit erklären, Kompromisse einzugehen und sich hin und wieder auch eingestehen, dass man einen Fehler gemacht oder etwas getan hat, was nicht unbedingt zum Wohle des Kindes beitrug. Auch ich habe zum ersten Mal eine Scheidung hinter mir, ich schließe mich da nicht aus, Fehler gemacht zu haben.

Und es löst immer noch Trauer in mir aus, denke ich an die Zeit zurück, in der alles noch gut war. Ich denke zurück an die, wenn auch schmerzliche, Geburt, aber doch vielmehr bleibt die Erinnerung an den Mann zurück, der stundenlang mit mir im Kreissaal gewartet und meinen Rücken gestreichelt hat, der im engen und unbequemen Besuchersessel döste, mit dem ich mir das enge Bett zu zweit teilte, während wir beide auf die Geburt unseres Babys warteten.

Und nein, es war nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen in all den Jahren, sonst würde ich heute nicht hier sitzen und diesen Beitrag schreiben, aber mittlerweile bin ich von dem Groll weg, nur das Negative in meinem Ex sehen zu wollen. Klar, es macht das Ganze irgendwie erstmal leichter, verlieh mir auch ein gewisses Maß an Kraft, eine neue Wohnung zu suchen, all den Papierkram zu bewältigen, wieder auf eigenen Füßen zu stehen usw., denn irgendwann ist auch mal gut, dachte ich mir, es muss weitergehen. Ich WILL weitergehen.

Wechselmodell - Eine Mama berichtet von ihren Erfahrungen

Die Voraussetzungen für ein Wechselmodell

Dass unser Kind uns beide braucht und auch haben soll, stand für mich immer fest. Die Erfahrungen, die ich als Angestellte u.a. für eine Anwältin im Familienrecht mitnahm, haben mir gezeigt, was ich unbedingt vermeiden will: Eine Schlammschlacht zwischen den Eltern, bei der das Wohl des Kindes völlig außer Acht gelassen wird, Hauptsache, man kann dem anderen Elternteil nur ordentlich schaden.

Diese Sichtweise hab ich zum Glück nie gehabt. Ich kenne zwar den Schmerz und die Wut, die immer wieder hochkommen, doch liegt es mir fern, meinem Ex deshalb sein Kind zu entziehen. Dass ich ein Problem mit dem Vater meines Kindes habe, muss doch nicht die Beziehung zwischen den beiden tangieren. Sollte es auch nicht.

Das Ziel war es also, dass Oliver seine Zeit zu gleichen Teilen bei seinem Vater als auch bei mir, seiner Mutter, verbringen konnte.

Und damit sind wir mMn schon bei einer der Voraussetzungen für ein Wechselmodell angekommen: Den eventuellen Streit, den die Eltern unter sich auszutragen haben, beiseite zu schieben, und stattdessen schauen, was gut fürs Kind wäre.



Am Anfang war Chaos

Das wöchentliche Wechselmodell lief aber nicht von Anfang an. Tatsächlich lief es eher ziemlich chaotisch ab. Wer so etwas zum ersten Mal durchmacht, wird sicher nachvollziehen können, dass man sich da auch erstmal reinfühlen und einen für alle Beteiligten passenden Weg finden muss.

Erstmal lief es aber wie gesagt chaotisch ab. Ich arbeitete montags, freitags und samstags, teilweise auch sonntags, im Verkauf, der Papa war selbstständig und konnte sich dementsprechend seine Zeiten besser einteilen.

Als dann aber der Lockdown kam und ich aufgrund der Kurzarbeit finanziell ziemlich dumm dastand, suchte ich mir als Sicherheit einen Zweitjob von dienstags bis donnerstags, ich arbeitete also 6, manchmal sogar 7 Tage die Woche. Finanziell sah es nun sehr entspannt für mich aus. Aber Freizeit? Zeit mit meinem Kind? Zeit für mich? Kaum. Und mein Exmann stellte relativ schnell fest:“ Aber dann hast du ziemlich wenig Zeit mit Oliver…“

Und so dauerte es nicht lange, bis mein Ex vorschlug, dass wir das Wochenmodell einführten. Es gibt also kein Hin und Her mehr innerhalb der Woche, sondern eine konstante Woche für alle. Für den Papa, dass er auch mal am Wochenende Zeit für sich und seine neue Freundin hat. Für Oliver, weil es ihm Ordnung und Beständigkeit gibt. Und auch ich sah die Vorteile im Wechselmodell. 6 Tage die Woche zu arbeiten, das macht man vielleicht eine kurze Zeit, aber nicht auf Dauer mit.

Also reduzierte ich meine Einsatztage im Verkauf, um Oliver in „meiner“ Woche innerhalb der Zeiten des Schulhorts abholen zu können. Der Zweitjob war eine Teilzeitstelle, ich hatte also auch an drei Tagen in der Woche früher Schluss, konnte Oliver zum Fußball und Schwimmen bringen oder wir hatten auch einfach einen Tag nur für uns zwei.

Wenn du dich auch gerade in dieser Findungsphase befindest, dann gib dem Ganzen Zeit, sich zu entwickeln. Es muss nicht von Anfang an alles passen und perfekt für alle laufen. Man muss schauen, wie es einem damit geht und bereit sein, etwas zu verändern, wenn es nicht gut funktioniert.

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Was könnte ein Wechselmodell gefährden?

Damit bin ich auch gleich beim Thema: Was, wenn die/der Expartner*in nicht mit mir an einem Strang zieht?

Folgendes Beispiel: Oliver wurde von seinem Papa beim Fußball angemeldet. Er war dahinter, ihn anzumelden, zum Training zweimal die Woche zu bringen, weil es aufgrund meiner Angestelltenarbeit zeitlich immer sehr knapp und stressig geworden wäre, und hat Oliver auch später beim Schwimmen angemeldet.

Beim Schwimmen merke ich deutlich, wie viel Spaß es Oliver macht. Fußball ist zwar auch ganz nett, aber mit dem Herzen – so meine Einschätzung – ist er nicht 100%ig dabei. Wieso nicht einfach die Gelegenheit nutzen und was anderes ausprobieren? Oliver interessierte sich fürs Tanzen. Kurz angefragt beim Tanzstudio, ob ein Schnupperkurs drin wäre. Ja, kein Problem, findet montags statt. Naja, montags ist ja schon Fußball. Doof. Es wurde ein Tag vorgeschlagen, an dem ich bis 19 Uhr arbeiten musste, also fragte ich meinen Exmann, ob er Oliver dort das eine Mal zum Probetanzen hinbringen könnte.

Leider kam die Antwort nicht wie erhofft, denn er lehnte ab. Oliver schon zum Fußball und Schwimmen zu bringen, würde schon viel seiner Zeit in Anspruch nehmen. Wenn ich ihn zum Tanzen bringen wollen würde, müsse ich mich selber darum kümmern.

Da gab es noch andere Situationen, was Kleidung und Haarschnitt betraf. Leider haben beide Elternteile das gleiche Sorgerecht. Da kann also der Papa entscheiden, welche Kleidung und welchen Haarschnitt sein Kind bekommt bzw. nicht bekommt, wenn es die eine Woche bei ihm ist. Da sind mir als Mutter die Hände gebunden.

Frau schaut irritiert aufs Handy

Das ist bitter, auch weil ich darin zu sehen glaube, dass Oliver in eine bestimmte Richtung gelenkt werden soll (halt „typisch“ Junge: kurze Haare, Fußball und Schwimmen, aber Ballett? Lange Haare? Mh, nee…).

In solchen Momenten fühle ich mich hilflos, weil ich keine Möglichkeit sehe, wie ich Oliver da stärken kann. Alles, was ich kann, ist ihm zuzuhören, ihn zu ermutigen, für das, was ihm wichtig ist, den Mund aufzumachen und standhaft zu bleiben. Ich kann mit meinem Ex reden, aber gebracht hat das bislang nichts. Ich kann, was Olivers Hobbys und Interessen betrifft, nach einer anderen Möglichkeit schauen, wie er diese wahrnehmen kann. Kann vielleicht jemand aus dem Freundes- oder Familienkreis Oliver zum Probetanzen bringen? Oder mal einen Tag Fußball ausfallen lassen? Oder selber mit ihm, wenn ich zu Hause bin, ein paar Tanzstunden einlegen?

Wenn der andere Elternteil nicht mitmacht, darf man nicht einfach aufgeben, sondern muss für sein Kind da sein und schauen, wie es vielleicht auf anderem Wege machbar wäre. Das macht das Wechselmodell in solchen Momenten schwierig. Es wäre schön, wenn beide Elternteile da an einem Strang ziehen, es ist mMn aber noch kein ausschlaggebender Grund, das Wechselmodell zu beenden, weil ich denke, dass es dennoch wichtig für Oliver ist, bei seinem Vater zu sein, auch wenn das bedeutet, dass es dort nicht immer abläuft, wie ich es gerne hätte.

Bereitschaft zur Reflexion und Veränderung

Es geht aber nicht immer um „Du! Du! Du!“. Man muss auch bereit sein, das eigene Verhalten zu reflektieren und sich Fehler einzugestehen. Auch ich habe Fehler gemacht.

Ich war teilweise noch so verletzt, dass ich nicht in der Lage war, vernünftig mit meinem Ex zu reden, wie man sich nun mal als erwachsener Mensch mit jemandem unterhalten sollte, auch wenn es schwer fällt. Doch gerade in Gegenwart seines Kindes bringt es nichts, sondern macht es nur noch schlimmer fürs Kind, wenn es sieht, wie sich die Eltern, die es ja beide trotzdem sehr liebt, fetzen und angiften.

In einer Situation war es mir aus einem mir noch heute nicht nachvollziehbaren Grund total wichtig, Nein zu meinem Ex zu sagen, dabei hatte er nur gefragt, ob er eine bestimmte Trinkflasche mitnehmen könnte. Nein, sagte ich, die nutze ich gerade selber, und gab ihm eine andere mit. Totaler Kindergarten, blicke ich heute auf diese Geschichte zurück, und ich denke mir, dass es Sachen nur unnötig verkompliziert und das eh schon angeschlagene Verhältnis belastet.

Ich hatte auch mal den Fehler begangen, die Zeit, in der Oliver von seinem Vater abgeholt werden sollte, bereits zu verplanen. Ich plante es zwar nicht fest ein und versprach auch nichts, stellte es aber in Aussicht. Aber es ist die Zeit von Oliver und seinem Vater – da hab ich mich nicht einzumischen.

Ich hatte auch den eigenen Anspruch an mich selbst, die Zeit, in der Oliver bei mir war, so schön wie nur möglich zu gestalten, geriet dadurch aber in Konflikt mit meinem Bedürfnis, für finanzielle Sicherheit zu sorgen. Ich setzte mich selbst so unter Druck, irgendwas ganz Besonderes und Ausgefallenes mit ihm unternehmen zu müssen, weil ich dem Irrglauben verfiel: Wenn ich nur möglichst tolle Sachen mit meinem Kind mache, wird es… ja… was eigentlich…? Mich mehr lieb haben? Dem Papa davon erzählen, dass es bei mir richtig toll war? Ihn neidisch machen? Beeindrucken?


Calm down, mommy!

Ich hatte mir selbst etwas vorgenommen, ohne wirklich zu Ende zu denken. Warum mache ich das denn? Hier geht’s doch nicht darum, jemandem die lange Nase zu zeigen. Hier geht’s um mein Kind. Und mein Kind war meist schon völlig damit zufrieden, wenn wir gemeinsam UNO* spielten…

Es gehört Mut dazu, sich Fehler einzugestehen. Es ist leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen, zu meckern und sich zu sagen, dass man das ja alles viel besser kann. Aber den Finger mal einzustecken und sein eigenes Verhalten zu betrachten, fällt schwer und ist unangenehm. Doch wenn man sich fragt: Für wen man ich das denn? Dann ist es plötzlich ganz einfach.

Für alle, die sich mal in die Lage ihres Kindes, das ebenfalls von der Scheidung und Trennung betroffen ist, versetzen möchten, empfehle ich mit ganzem Herzen den Brief „20 Bitten von Kindern an ihre geschiedenen oder getrennt lebenden Eltern“ von Dr. Karin Jäckel. Ich hab ihn mir ausgedruckt und in die Wohnung gehangen, um mich immer wieder daran zu erinnern, ob das, was ich tue, wirklich zum Wohle meines Kindes beiträgt. Aufgrund dieses Briefs hab ich auch eingesehen, dass es nicht schön fürs Kind ist, wenn die Mama über Sachen, die der Papa „mal wieder“ verbockt hat, meckert oder wenn man stattdessen vom Ex in Gegenwart seines Kindes über das, was man „mal wieder“ vergessen hat, angeranzt wird.

Das Verhalten meines Ex‘ kann ich zwar nicht ändern, wohl aber mein eigenes. Ich habe mir also angewöhnt, mich bei Oliver nicht mehr über dessen Papa zu beschweren. Erwachsenenprobleme sind eh nicht die Aufgabe unserer Kinder. Wir Erwachsenen tragen dafür die Verantwortung, nicht sie.

Mut haben, eigene Rechte wahrzunehmen

Ich bin mir noch nicht sicher, ob meine letzte Entscheidung richtig oder falsch war, momentan bin ich aber zufrieden mit mir, weil ich wenigstens den Schritt getan habe, statt einfach nichts zu tun.

Und zwar geht es um das Thema Finanzen. Damals hatte ich mich nicht anwaltlich beraten lassen. Das war dem Umstand geschuldet, dass ich Schuldgefühle aufgrund der Scheidung hatte. Ich gab mir selbst die Schuld für das, was geschehen war, und gestand mir kein weiteres Recht zu, irgendwas zu verlangen. Ich wollte Konflikte vermeiden, ich hatte Angst, die gemeinsame Arbeit mit meinem Ex zu gefährden. Es gab damals viele Gründe für mich, nichts zu tun und alles einfach laufen zu lassen. So auch den Verzicht auf Versorgungsausgleich.

Nach einem für mich sehr aufwühlenden „Gespräch“ mit meinem Ex sah ich mich dann aber derart ungerecht behandelt, dass ich all diese Ängste beiseite schob und mich anwaltlich beraten ließ.

Durch den Wechsel zum Wochenmodell verdiente ich nun deutlich weniger. Bei einem echten Wechselmodell, also wenn das Kind zu gleichen Teilen bei seinen jeweiligen Elternteilen wohnt, teilt man sich auch die gemeinsamen Kosten fürs Kind. Wenn aber ein Elternteil weniger verdient als der andere, wäre das ja unfair, also gibt es hierfür eine Berechnung, damit die Kosten fair aufgeteilt werden, d.h. je nach Einkommen des Elternteils, und auch ggf. Zahlungen auf Unterhalt fällig sind.

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Vor- und Nachteile abwägen

Es ist mir immer noch wichtig, in Zukunft den Umgang mit meinem Ex auf friedlicher und sachlicher Ebene führen zu können, auch wenn sich immer mehr abzeichnet, dass das Thema Finanzen ziemlich schnell bei uns eskaliert. Mein Ex hat z.B. damals ein gemeinsames Kinderdepot für Oliver eingerichtet, damit er später finanziell besser da steht. Weil wir aber beide eh oft streiten, macht es aus Sicht meiner Anwältin wenig Sinn, gemeinsam darüber zu verfügen. Besser ist es, das Depot aufzuteilen, sodass jeder über die jeweilige Hälfte entscheidet, wie diese anzulegen ist. So eine Entscheidung kann aber auch ziemlich Zündstoff, wenn der Ex das z.B. persönlich nimmt – warum auch immer, denn das Geld soll ja weiterhin fürs Kind sein und nicht für einen selber, nur dass man eben jetzt selber darüber verfügt, ohne sich vom Ex reinreden lassen zu müssen – und einen nun dafür bestrafen möchte, indem er einem z.B. Hilfe in anderen Dingen untersagt.

Ja, so ist das, wenn ein getrenntes Paar sich weiterhin das Sorgerecht fürs gemeinsame Kind teilt… Auch wenn wir uns in einigen Dingen nicht einig sind, müssen wir uns zusammenreißen, miteinander reden und im Falle, dass man nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommt, lernen, es zu akzeptieren oder sich für eine Veränderung entscheiden.

Wenn auch du in so einer ähnlichen Situation bist, kann ich dir nur raten: Lass mal eine/n Expert*in rüberschauen und dir eine entsprechende Einschätzung geben. Es heißt ja nicht, dass du sofort handeln musst, aber zumindest weißt du schonmal, woran du bist und was deine Rechte wären, wenn du sie denn wahrnehmen möchtest, und auch dein Gegenüber wird sich allein dadurch vielleicht schon anders verhalten, statt davon auszugehen, dass du schon Ja zu allem sagen und es abnicken wirst. Bei allem, was geschehen sein mag: Es ist dein gutes Recht. Wozu haben wir Gesetze, wenn man dann aus Angst vor Konflikten davor scheut, davon Gebrauch zu machen?

Dennoch sollte man, bevor man rechtliche Schritte einleitet, immer die Vor- und Nachteile abwägen. Wenn du dir unsicher bist: Mach eine Pro- und Contraliste. Was bringt es dir? Was gefährdest du? Ist es das wert?

Frau nachdenklich vor Notebook

Ist das Wechselmodell gut für Kinder?

Ob das Wechselmodell gut fürs eigene Kind ist, muss immer individuell betrachtet werden – das hast du dir sicherlich auch schon gedacht. Denn nicht jedes Kind wurde z.B. vor der Trennung zu gleichen Teilen von seinen jeweiligen Elternteilen betreut.

Stell dir vor, die Mama hat ihren Job nach der Geburt aufgegeben, weil sie festgestellt haben, dass es ihrem Baby nicht gut tut, mit einem Jahr in die Kita zu kommen. Es ist noch so sehr an die Mama gebunden, stillt dazu auch sehr oft, also entscheidet sich die Familie gemeinsam, dass die Mama zu Hause bleibt und sich ums Kind kümmert.

Auf der anderen Seite geht der Papa arbeiten, weil es finanziell für die Familie möglich ist, dass nur er der Alleinverdiener ist.

Dadurch, dass Mama und Kind 24/7 miteinander zu tun haben, entsteht natürlich eine ganz andere, enge Bindung und ein Vertrauen, als zu dem Papa, der Vollzeit arbeitet und vielleicht erst abends, wenn das Kind schon schläft, nach Hause kommt.

Jetzt stell dir mal vor, das Paar trennt sich und das Kind soll plötzlich im Wochenmodell eine Woche bei Mama und eine Woche beim Papa verbringen, weil die Mama ja auch irgendwie arbeiten gehen und Geld verdienen muss. Wahrscheinlich wird das Kind die Mama stark vermissen, weil es zu ihr mehr Vertrauen hat, als zum Papa.

Wenn aber das Kind z.B. schon älter und es auch gewohnt ist, dass die Mama mal weg, arbeiten oder whatever, und der Papa sich in der Zeit gut um es gekümmert hat, ist das ja eine ganz andere Basis, das Wochenmodell durchzuführen, verstehst du?



Wie geht es meinem Kind mit dem Wechselmodell?

Im Vordergrund sollte stets das Wohl des Kindes stehen, d.h. ich muss mich fragen: Welches Betreuungsmodell gibt meinem Kind die größtmögliche Sicherheit? Das kann man mMn erst herausfinden, indem man es eine Zeit lang ausprobiert und immer schaut, wie es dem Kind mit dieser Art von Betreuungsmodell geht. Wirkt es entspannt oder hab ich den Eindruck, dass es sich auffällig verhält?

Ich kenne mittlerweile auch Familien, die ebenfalls das Wechselmodell führen, bei dem aber keinerlei Kontakt und Austausch zwischen den getrennten Elternteilen besteht. Diesen Umstand finde ich sehr schade und auch schwierig für das Wechselmodell, denn ich als Mutter möchte schon wissen, wie es meinem Kind beim Papa mit der neuen Freundin ging, wie es in der Schule war, ob ich irgendwas wissen muss…

Man könnte annehmen: Ach, was, das klappt auch so. Ich sehe meinem Kind doch an, wenn irgendwas sein sollte. Als Elternteil kennt man sein Kind zwar gut, und ich behaupte auch von mir, dass ich meinem Kind anmerken würde, wenn es mir was verschweigt oder wenn es ihm nicht gut geht. Aber sich zu irren, ist menschlich, und manchmal hat man auch den Kopf voll mit anderen Dingen.

Gerade nach meiner Scheidung und der räumlichen Trennung, der Entfremdung zu meinem Ex, den ich seit mehr als 10 Jahren um mich hatte, hatte ich Momente, in denen ich einfach Zeit für mich brauchte. Zum Suhlen in Selbstmitleid, zum Weinen, zum Trauern und Bedauern, zum Fluchen und Wüten, Verzweifeln und, und und – das ganze Gefühlschaos einmal rauf und runter. Da hat man auch manchmal einfach nicht den Blick, zu erkennen, dass das Kind einem gerade (non-)verbal was mitteilt.

Und gerade, wenn der Kontakt zwischen den getrennten Eltern schwierig, unterkühlt und distanziert ist, und man es gerade mal schafft, sich fürs Kind zusammenzureißen, dann kann es passieren, dass man sein Kind völlig übersieht oder falsch einschätzt, wie es ihm gerade damit geht. Wie ist es für ein Kind, das 6 Jahre gewohnt war, Mama und Papa gleichzeitig um sich zu haben? Die lieb zueinander waren? Die sich zwar auch mal gestritten, aber auch wieder versöhnt haben? Mit denen immer gemeinsam gefeiert wurde, mit denen man gemeinsam auf der Couch gesessen, Dinge unternommen, Spiele gespielt, gegessen und im Bett gekuschelt hat? Wie ist es für ein Kind, wenn es das alles plötzlich nicht mehr hat und alles getrennt ist?

Mut haben, sich Unterstützung zu holen

Ich als Mutter habe den Eindruck, dass es meinem Kind gut mit dem Wechselmodell geht. Eine Woche bei Mama, eine Woche bei Papa. Ich höre zwar, dass der Papa nun einen strengeren Erziehungsstil pflegt, als wir es damals gemeinsam gemacht haben, da waren uns ein bedürfnisorientierter Umgang und eine Kommunikation auf Augenhöhe wichtig, aber vielleicht war das alles nur Maskerade, denke ich mir. Vielleicht entsprach dieser Weg nicht dem meines Exmanns und er hat es damals nur aus Anpassung getan. Ich weiß es nicht. Menschen ändern sich. Und dann verstehe ich, wenn mein Kind sagt, dass es lieber 7 Wochen bei mir und 3 Wochen beim Papa sein möchte. Ich bin zwar nicht die Mama, die alles durchgehen und sich gefallen lässt, aber ich kann mir schon vorstellen, dass es natürlich schöner bei dem Elternteil ist, der nicht so streng ist wie der andere. Ist das ein Grund, jetzt vom echten Wechselmodell zum Residenzmodell zu wechseln, bei dem das Kind einen festen Wohnsitz hat, statt zwei? Ich weiß es nicht.

Und wenn man was nicht weiß, dann muss man sich halt schlau machen. Sich mit anderen Familien unterhalten und sich austauschen. Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Zu letzterer Idee riet mir übrigens meine Anwältin.

Und zwar fand ich es eine wirklich klasse Idee, Oliver Gesprächsstunden bei einem Psychiater zu ermöglichen. Es steht zwar noch kein fester Termin an, der Kontakt ist gerade einmal hergestellt, aber ich bin froh, mich auf diesen Weg begeben zu haben, denn ich hab keine Psychologie studiert. Ich bin auch, wenn man mal ehrlich ist, keine unbefangene Person, bei der sich mein Kind mit all seinem Kummer und all seinen Sorgen ausweinen kann. Natürlich bin ich immer für Oliver da, um ihm zuzuhören, wenn er das denn möchte, aber ich verstehe, dass er sich mit Geschichten über den Papa zurück hält, weil er dadurch in einen Gewissenskonflikt geraten könnte.

Deshalb finde ich es umso wichtiger, dass Oliver stattdessen eine Person hat, der er sich anvertrauen kann, die unvoreingenommen und neutral ist. Auf diesem Wege kann man dann feststellen, ob das gewählte Betreuungsmodell wirklich die richtige Wahl fürs eigene Kind war oder ob sich gerade der Wunsch des Kindes nach einem anderen Betreuungsmodell entwickelt.

Bei den aktuellen Wartezeiten, die nicht selten mehrere Monate dauern können, weil ein Großteil der Psychiater*innen nicht gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse abrechnen können, wird man, wenn man nicht so lange warten möchte, wohl oder übel ins eigene Portemonnaie greifen müssen. Zur Problematik mit den Therapieplätzen schau dir gerne mal das YouTube Video von Jan Böhmermann bzw. dem ZDF Magazin Royale an.

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Fazit

Es gibt sicherlich gute Gründe, warum ein echtes Wechselmodell für manche Familien nicht infrage kommt, aber wenn man dieses Betreuungsmodell wählt, braucht es meiner Erfahrung nach:

  • zuallererst den Blick auf das Wohl des Kindes, unabhängig davon, was für einen Zwist die Eltern untereinander austragen
  • einen sachlichen Austausch zwischen den Eltern: Wie lief die Woche? Gibt es wichtige Neuigkeiten? Welche Sachen sollen beim Wechsel mitgenommen werden?
  • Kooperation! Bei uns findet z.B. Sonntag Abend der Wechsel statt. Da erwarten wir gegenseitig voneinander, dass gemeinsame Sachen eingepackt und die Hausaufgaben erledigt sind. Nehmt es nicht persönlich, wenn doch mal was fehlt oder vergessen wurde, Menschen machen Fehler, und gerade bei Veränderungen braucht es Zeit, sich daran zu gewöhnen. Aber wenn sowas häufiger vorkommt, muss das geklärt oder irgendeine Lösung her, damit das Problem nicht mehr vorkommt.
  • Wohlwollen, z.B. dass ich mich für mein Kind freuen kann, wenn es die Zeit bei seinem Papa genossen hat, statt neidisch oder traurig zu reagieren, aber auch Wohlwollen gegenüber der/m Expartner*in
  • Mut und Bereitschaft zur Selbstreflexion, sich Fehler einzugestehen und (sich) ggf. entwickeln zu wollen
  • Vertrauen, auch wenn z.B. ein gemeinsames Kinderkonto für gemeinsame Kosten oder ein Depot für die spätere finanzielle Absicherung des Kindes eingeführt worden ist. Wenn es kein Vertrauen gibt, dann ist es mMn auch nicht verwerflich, Konten oder Depot zu trennen, damit sich jeder Elternteil selbst um die eine Hälfte bzw. den jeweiligen Anteil kümmert.
  • Finanzielles fair und sachlich klären, ohne daraus eine persönliche Kiste machen zu wollen
  • „See me beautiful“ – im Sinne der GFK immer das Beste in einem Menschen sehen wollen, gerade, wenn es Konflikte gibt

Und wenn die Eltern aufgrund der Trennung ihre Probleme damit haben, ist wohl doch noch eine Veränderung nötig – egal, wie die für einen persönlich auch aussehen mag.

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Streitigkeiten in Familiensachen können ganz schön ins Geld gehen, deshalb empfehle ich eine Rechtschutzversicherung, die in solch einem Fall die Anwaltskosten, z.B. für ein Beratungsgespräch oder für eine evtl. spätere Streitigkeit vor Gericht auch weitere Kosten, wie z.B. die anwaltliche Vertretung als auch die Gerichtskosten tragen würde.
Um herauszufinden, welche Rechtschutzversicherung für dich infrage kommt und wie diese Versicherungen untereinander im Vergleich abschließen, kannst du im Folgenden an einem Vergleichscheck* teilnehmen. Gib dazu einfach deine Optionen an und was du brauchst und schon spuckt dir der Vergleichsrechner die besten Ergebnisse aus, ohne dass du stundenlang im Internet vergleichen und Angebote durchlesen musst.

*

Wer sich keinen Rechtsbeistand leisten kann oder über keine Rechtschutzversicherung verfügt bzw. die jetzige Versicherung nicht greift, kann auch erstmal die kostenlosen Beratungsangebote z.B. beim Jugendamt in Anspruch nehmen. Ich kann es nur jeder/m ans Herz legen, sich dahingehend beraten zu lassen. Die Einschätzung einer Person zu hören, die sich mit dem Thema Scheidung, Trennung, Sorgerecht usw. auskennt, gibt einfach Sicherheit und Klarheit, finde ich. Und es tut gut, jemanden zu haben, der ein offenes Ohr für einen hat und Verständnis zeigt. Balsam für die Seele.

Am Ende, muss ich sagen, ist das Single Dasein zwar manchmal echt einsam, es ist aber auch eine für mich wichtige und auch notwendige Erfahrung. Ich war nie allein. Es war immer jemand für mich da. Und das, blicke ich auf meine Kindheit zurück, manchmal auch in Momenten, in denen es mir gut getan hätte, mal selbst nach einer Antwort oder Lösung suchen zu müssen, statt alles präsentiert zu bekommen.

Kam ich aus einer Beziehung raus, war die nächste schon am Start. Ich war auch beziehungsmäßig nie allein. Und doch finde ich diese Erfahrung, unabhängig und auf sich gestellt zu sein, total wichtig. Da ist niemand außer mir, der die Verträge im Blick hat, kündigt, nach besseren Angeboten sucht und neue abschließt. Keiner da, der sich um den Haushalt kümmert. Nur ich, die sich jetzt Gedanken ums finanzielle, seelische und körperliche Wohlergehen kümmern muss.

Es ist auf jeden Fall noch viel zu lernen und manchmal erschlägt mich der Berg an To Do’s, sodass ich erstmal runterkommen, atmen, mich sortieren und mich dann Step by Step ans Werk machen kann, aber ich bin – zumindest jetzt gerade in diesem Moment – zuversichtlich, dass es nur noch besser werden kann.

Wenn auch du mir von deinen Erfahrungen berichten oder den einen oder anderen Tipp für Menschen wie mich hast, die getrennt leben und sich das Sorgerecht teilen, dann freue ich mich, unten in den Kommentaren darüber zu lesen.

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3 Gedanken zu „Wechselmodell – Ein Erfahrungsbericht“

  1. Der Erfahrungsbericht hat mir sehr gut gefallen, vor allem, dass viele Aspekte angesprochen worden, dass viele Vor- und Nachteile berücksichtigt worden. Obwohl ich bis zur Trennung Hauptbezugsperson war und unsere Tochter sehr große Probleme hatte, plötzlich nicht mehr von der Mama, wie jeden Abend sonst bisher ins Bett gebracht zu werden, habe ich mich zu diesem Modell überreden lassen.
    Den Vorschlag Beratungsangebote z.B. beim Jugendamt in Anspruch nehmen, hier muss ich leider von schlechten Erfahrungen sprechen. Die Beraterin von der Jugendgerichtshilfe Meißen hat mir im ersten Gespräch mitgeteilt, dass das Wechselmodell in Deutschland jetzt das gängige Modell wäre und der Vater ein Recht darauf hat. Ich habe auf Anraten der Jugendgerichtshilfe auch einen Kurs für geschiedene Eltern besucht, den beide Eltern wahrnehmen sollten. Der Vater brauchte den Kurs nicht absolvieren, das Kind wurde nie vom Jugendamt befragt und vor Gericht hat das Jugendamt den Vater in Schutz genommen, sogar Falschaussagen dem Gericht mitgeteilt. Obwohl mein Kind die ersten 12 Monate immer wieder sehr lange geheult hat und auch weglaufen wollte, hatte ich auf die Aussage des Jugendamtes vertraut. Dass die Statistik allerdings hier etwas anderes sagt (5% der Eltern leben das Wechselmodell wählen) hatte ich außer Acht gelassen. Fazit nach drei Jahren Trennung und aufgezwungenen Wechselmodell 50:50, meine Tochter steigt bei der letzten Abholung ins Auto und heult sofort los. Sie sagt, dass sie die letzte Woche wieder 3mal geheult hat. Zwei Wochen vorher fällt sie mir heulend beim Abholen in die Arme und berichtet, dass der Vater wegen einer Note 3 in Geschichte sie angeschrien hat und bei der letzten 4 in Mathe heult sie 20 min, weil sie Angst vom Vater hat und erklärt wiederholt, dass sie irgendwann weglaufen wird. Die Abschiede sind noch immer tränenreich und sie bittet mich immer wieder, ob sie nicht länger bei mir bleiben kann. Den Lieblingspulli beim Vater darf sie nicht mit zu mir nehmen und ihr Lieblingsbustier darf sie nicht beim Vater anziehen. Bei den Sachen gibt es noch eine strikte Trennung. Sie kommt mit exakt den Sachen wieder, welche ihr ihr beim Wechsel anziehe, egal ob es vom Wetter passt.

    Antworten
    • Liebe Silvia,
      vielen Dank für deine Worte, es hört sich nach einer sehr schweren Zeit, sowohl für dich als auch für deine Tochter an. Auch ich merke mittlerweile, dass mein Exmann sich immer mehr verschränkt und eine strikte Trennung von seinem Haushalt und meinem will. Vielleicht ist es auch seine neue Freundin, die das wünscht. Es gibt keine Abholungen mehr, sondern der Wechsel erfolgt nun unter der Woche nach dem Schwimmen, damit auch gar kein Besuch mehr untereinander stattfindet. Was ich nun versuche beizubehalten, ist ein wöchentlicher Call, in dem man dem jeweils anderen Elternteil von der Woche erzählt und ihn somit up-to-date hält. Vielleicht wäre das was für euch? Oder sich mit einer Mediatorin zusammenzusetzen, um herauszufinden, was zum Wohle des Kindes geht? Denn immerhin ist das ja der Fokus, es sollte immer darum gehen, dass das Kind sich wohl fühlt, und so, wie du es schilderst, klingt es ganz und gar nicht danach.
      Liebe Grüße
      Julia

      Antworten

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